»Hungertuch XXL«: Künstler veranschaulichen ihre Situation
Die Kunst nagt am Hungertuch
95 Prozent der Bildenden Künstler verfügen über ein monatliches Einkommen von weniger als 1.000 Euro, viele leben unter Hartz IV-Niveau. Lediglich fünf Prozent schaffen es zu Lebzeiten in einen festen Galerievertrag. Mit der Aktion »Hungertuch XXL
Wir tragen unsere Hungertücher zusammen« wollen Künstler sämtlicher Sparten gemeinsam auf ihre Situation aufmerksam machen. Auch Leverkusener sind am 17. April in Wuppertal dabei.
Leverkusen/Region (nm). Die Kunst nagt am Hungertuch. »Dass dieses Sprichwort wie selbstverständlich zum Sprachgebrauch gehört, zeigt: Kunst war schon immer eher brotlos als ernährend. Seit jeher musste der Künstler sehen, wie er sich und seine Lieben durchs Leben schlug. Das ist heute nicht anders als vor hundert, zwei- oder fünfhundert Jahren«, bringen es Petra Pfaff und Rainer Grassmuck von Kunstfluss Wupper – regioArte, zweier regionaler Künstlerselbstorganisationen, auf den Punkt. Aktuell jetzt, in Zeiten radikaler und existenzieller Kürzungen und Streichungen, Schließungen von Kultureinrichtungen, dem Wegfall von Fördermitteln und der gesamtgesellschaftlichen Verarmung, seien es – mit anderen Leidtragenden gemeinsam -, wieder die Künstler, die aus ihren wenigen ökonomischen Netzen zu fallen drohen. Um auf die Situation aufmerksam zu machen, rufen Kunstfluss Wupper – regioArte e.V. Künstler aller Sparten (Bildende Kunst, Musik, Theater, Literatur u.a.) auf,
am 17. April zwischen 11 und 15 _ Uhr ihr persönliches Hungertuch auf den Rathausplatz in Wuppertal-Barmen zu bringen. Alle Hungertücher werden dort zu einem überdimensionalen textilen Zeugnis zusammenfügt und veranschaulichen so die Situation der Künstler auf einer »XXL-Fläche«. Es ist geplant, dass das Hungertuch XXL einen Tag später zusammen mit dem Bündnis »Wuppertal wehrt sich« nach Düsseldorf zu einer landesweiten Protestveranstaltung gebracht wird.
Eine Leverkusener Künstlerin, die die Aktion unterstützt, ist Ellen Loh-Bachmann (Eloba). »95 Prozent der Bildenden Künstler liegen weit unter einer Einkommensgrenze von 1.000 Euro im Monat. Und Einkommen ist nicht immer gleich Gewinn! Wer nicht genug verdient, wird vom Finanzamt als Hobbykünstler verfolgt«, erklärt sie: »Lediglich fünf Prozent der Künstler schaffen es zu Lebzeiten in einen festen Galerievertrag. Viele Künstler leben unter Hartz IV-Niveau.« Kunst und Kultur haben eine Aufgabe, ohne sie verrohe die Gesellschaft, so Loh-Bachmann: »Kunst ist menschlicher Inhalt, Ästhetik oder Protest, Revolution, Veränderung, Fortschritt – Menschheitsgeschichte. Wahre Kunst ist Berufung! Und die ist nicht mehr zu erfüllen, wenn Kunst kommerzialisiert wird.«
Ellen Loh-Bachmann (Eloba) bringt am 17. April ihr Hungertuch nach Wuppertal und macht dort mit vielen Künstlern der Region auf deren finanzielle Situation aufmerksam. Foto: Nicole Marschall
Den Grund, warum viele Künstler auch heute weiter am Hungertuch nagen müssen, sieht sie in der Tatsache, dass im Laufe der Geschichte die Verantwortung für Kunst und Kultur weitergereicht wurde und der heutige Verantwortliche, der Staat, nichts mehr für die Kunst in der Kasse hat. »Kunst ohne Mäzene und Auftragswelt hat in seinem ursprünglichen, wirklichen Ansatz keine Überlebenschancen«, sagt sie: »Es sei denn, wir Künstler verändern die Welt. Gegen die Zeiten radikaler und existenzieller Kürzungen und Streichungen! Gegen die Schließung von Kultureinrichtungen! Gegen den Wegfall von Fördermitteln! Gegen die Verrohung der Gesellschaft!« Teilnehmen an der Performance »Hungertuch XXL – Wir tragen unsere Hungertücher zusammen«? Das bringt doch nichts, meinte einer ihrer Künstlerkollege. »Mag sein«, räumt Loh-Bachmann ein, aber es schweiße zusammen: »Masse ist Macht! Lassen wir die Künstlermacht aufmarschieren …«
Künstler, die an der Aktion »Hungertuch XXL« teilnehmen möchten, sollten folgende Anforderungen beachten:
Die Hungertücher müssen eine Mindestgröße 20 x 20 cm aufweisen und aus leichtem Material sein – und sollten, wenn möglich, künstlerisch gestaltet werden.